Doch selbst ein „regelkonformes“ Festhalten an der Benya-Formel würde unsere Wettbewerbsposition in der Welt wegen der hohen Inflationsraten in letzter Zeit immer weiter verschlechtern. Da unsere Löhne seit Jahren stärker steigen als im Europavergleich (vgl. wieder Abbildung 1), unsere Produktivitätsentwicklung aber keinesfalls besser aussieht (vgl. wieder Abbildung 2), produzieren wir am Ende teurer als im Europavergleich. Die österreichischen Lohnstückkosten steigen seit Jahren viel stärker als in allen anderen westeuropäischen Industrieländern (vgl. Abbildung 4). Britischen oder kanadischen Kunden ist die Benya-Formel aber ziemlich egal. Es interessiert sie nicht, dass die Preise bei uns stärker gestiegen sind als bei ihnen und dass wir deshalb höhere Löhne brauchten, um real nicht schlechter dazustehen. Sie sehen nur, dass „Made in Austria“ teurer geworden ist als „Made in anywhere else“. Und deshalb werden Unternehmen, die ihre Produkte vor allem im Ausland verkaufen, bald gewaltige Probleme bekommen. Das hatte Benya nicht bedacht. Zu seiner Zeit war Österreich noch nicht annähernd so exportorientiert wie heute.
Und noch ein Problem kommt dazu. Nicht nur exportierende Unternehmen kommen in Schieflage, wenn die Löhne, die sie zu Hause zahlen müssen, stärker steigen als die Preise, zu denen sie im Ausland verkaufen können. Auch Unternehmen, die gar nichts exportieren, können mit Benya überfordert sein, wenn sie Produkte herstellen, die sich nicht im selben Umfang verteuert haben, wie der Verbraucherpreisindex das für den repräsentativen Warenkorb der Österreicher anzeigt. Die Preise für Pauschalreisen, Putzereidienste oder Klatschmagazine sind seit 2022 um ein Drittel gestiegen, doch Brillen, Gartenmöbel oder Fahrräder sind heute sogar billiger als vor drei Jahren. Ein Optikermeister wird sich also deutlich schwerer tun, dem „one-size-fits-all“ der Benya-Formel Folge zu leisten als ein Busunternehmer, der Pensionisten an den Gardasee kutschiert. Natürlich haben die Angestellten beider Unternehmen mit höheren Mieten zu kämpfen, aber so hart das klingt: Das ist schlichtweg nicht der Punkt bei Lohnverhandlungen.
Übrigens: Eine automatisierte Inflationsanpassung der Löhne läuft immer Gefahr, die Inflation noch zusätzlich zu befeuern. Die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale[1] war zum Beispiel in Italien zu beobachten, wo die Löhne lange Zeit per Gesetz über die sogenannte scala mobile vier Mal pro Jahr an die zurückliegende Teuerung angepasst wurden. Die Inflation galoppierte. Am Ende musste man die scala mobile einkassieren, weil Italien so nicht in den Euro gedurft hätte.
Nun hatten wir oben von zwei Gründen gesprochen, aus denen Unternehmer höhere Löhne zahlen können: Es wird mehr hergestellt (= höhere Produktivität) oder das Hergestellte kann teurer verkauft werden (= Inflation). In der Praxis kann es aber noch einen dritten Grund geben: Wenn Unternehmer nämlich Gewinne erwirtschaften, dann gibt es plötzlich etwas zu verteilen. Ein betörender Gedanke, nicht wahr? Die Produktivität steigt zwar nicht und eine sture Abgeltung der hohen Inflation würde unseren Wirtschaftsstandort ruinieren. Aber schneiden wir doch höhere Löhne einfach aus den Gewinnen der Unternehmer heraus! Ist doch nicht unser Problem, wenn sie nicht in der Lage sind, auf den Weltmärkten die Preise durchzusetzen, die sie brauchen. Können sie geringere Gewinne nicht verschmerzen?
Doch, das können sie. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad und für begrenzte Zeit. Zum Beispiel war es lange so, dass Unternehmen auf einem wie leergefegten Arbeitsmarkt mehr zahlen mussten, um überhaupt jemanden zu finden. Aber das funktioniert natürlich nicht ewig. Die Gewinne sind längst auf einem historischen Tiefpunkt angekommen (vgl. Abbildung 5). Was haben Sie denn geglaubt, wo die astronomischen Lohnsteigerungen der letzten Jahre hergekommen sind, wenn nicht aus den Gewinnen der Unternehmer? Die Lohnquote jagt derweil von einem Rekord zum nächsten (vgl. Abbildung 6). Schon bald wird der Anteil der Löhne am Volkseinkommen höher sein als vor 30 Jahren.
Fußnoten
(Über) 100 Jahre Interventionsspirale im österreichischen Wohnungsmarkt
Die Mietpreisbremse für den freien Markt wird kommen. Und mit ihr eine ganze Reihe an unbeabsichtigten Nebenwirkungen. In Österreich haben wir über 100 Jahre Erfahrung mit Mietpreiseingriffen. Nur gelernt haben wir nichts daraus.
Warum Österreichs Schüler so wenig über Wirtschaft wissen. Und warum das nicht gut ist.
Was ist ein Markt? Wie bilden sich Preise? Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn? Viele Österreicher wissen das nicht; die Welt der Ökonomie ist ihnen ein Rätsel und deshalb oft auch unheimlich. Ein Schulfach Wirtschaft würde diese Defizite schon bei den Jüngsten beheben – und eine Menge Irrtümer aus der Welt schaffen.
Eine ökonomische Anleitung zum radikalen Förderstopp
Das Geld ist knapp. Das österreichische Doppelbudget 2025/26 pfeift aus dem letzten Loch. Streichen wir doch einfach ein paar Förderungen, meinen nun manche. Doch leichter gesagt als getan. Am Ende traut sich ja doch wieder keiner, den Rotstift anzusetzen. Die Agenda Austria schreitet mutig voran. Und streicht. Alles.
Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.
Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.
Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Die Budgetrede, die das Land braucht – die Finanzminister Markus Marterbauer aber so nie halten wird.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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