Ja, stimmt. Und in der Tat war die „Abfertigung Neu“ ein wichtiger Schritt hin zu einer verpflichtenden betrieblichen Versorgung für alle Beschäftigten: Ab dem zweiten Monat eines neuen Arbeitsverhältnisses zahlt der Arbeitgeber genau 1,53 Prozent des Bruttolohns in eine betriebliche Vorsorgekasse ein. Doch obwohl das System oft der zweiten Pensionssäule zugerechnet wird, entspricht es eigentlich nicht den Kriterien einer betrieblichen Pension. Denn verlieren die Berechtigten nach mindestens drei Einzahlungsjahren ihren Job, dann können sie eine (vorzeitige) Auszahlung beantragen. Und obwohl diese mit sechs Prozent versteuert werden muss, machen das viele. Daher gleicht die „Abfertigung Neu“ eher einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung als einer effektiven Pensionsvorsorge.[1]
Und außerdem ist die „Abfertigung Neu“ überhaupt eine Fehlkonstruktion. Es gilt nämlich die sogenannte „nominelle Kapitalgarantie“. Mit ihr wird sicherstellt, dass der eingezahlte Betrag mindestens in voller Höhe ausgezahlt wird. Klingt solide, wirkt sich aber enorm negativ auf die Wertsteigerung aus. Wenn die Vorsorgekassen nämlich die eingezahlten Beträge jederzeit verfügbar haben müssen, dann können sie nur in risikoarme Anlagen wie Staatsanleihen investieren, die sie im Notfall jederzeit zu Geld machen können. Daher ist die Performance meistens äußerst bescheiden. Erst recht, wenn man am Ende noch die oft horrenden Verwaltungsgebühren abzieht. Man muss bedenken, dass die „Abfertigung Neu“ für viele Österreicher der einzige Kontakt zum Kapitalmarkt überhaupt ist. Kein Wunder, dass sie ihm gegenüber so skeptisch sind, wenn sie jedes Jahr eine Abrechnung ihrer Vorsorgekasse im Postkasten vorfinden, die ihnen bestätigt, dass sie ihr Geld genauso gut unters Kopfkissen hätten legen können.
Zunächst einmal: Auch ein verstärkt kapitalgedecktes System ist kein Allheilmittel. Wie immer im Leben hat es Vor- und Nachteile. Doch eine zumindest teilweise Kapitaldeckung ist in Zeiten des demografischen Wandels vernünftig und sogar notwendig, um die Stabilität des Pensionssystems insgesamt zu sichern.[2]
Dreh- und Angelpunkt unseres Vorschlags ist die Verpflichtung. Jeder Arbeitgeber muss eine betriebliche Vorsorge für alle Mitarbeiter bereitstellen. Eine Versicherungspflicht muss es auch für Selbständige und Freiberufler geben, da sie bisher – außer in der Selbständigenvorsorge – keine Möglichkeit zur Absicherung in der zweiten Säule haben.
Im ersten Schritt sollte die „Abfertigung Neu“ durch einen allgemeinen Pensionskassenvertrag ersetzt werden. Konkret bedeutet das die Abschaffung der vorzeitigen Auszahlungsmöglichkeiten sowie der nominellen Kapitalgarantie. Nach diesem ersten Schritt werden die Einzahlungen in der zweiten Säule bei 1,53 Prozent liegen. Bis 2030 sollte ein Zielniveau von fünf Prozent des Bruttolohns angestrebt werden.
Bislang kann sich der Arbeitgeber für eine der acht verfügbaren Pensionskassen entscheiden. Das ist wenig sinnvoll. Da der Arbeitnehmer ein Interesse an einem möglichst attraktiven Produkt mit hoher Rendite und geringen Verwaltungskosten hat, sollte er selbst es sein, der die Entscheidung trifft. So würde sich ein echter Markt für Pensionsvorsorgeleistungen entwickeln. Ein lebendiger Wettbewerb würde auch dazu beitragen, die Verwaltungs- und Anlagegebühren zu minimieren. Derzeit schmälern hohe Verwaltungskosten die ohnehin schon maue Rendite der Pensionskassen noch zusätzlich.
Der Arbeitnehmer sollte sich für ein individuelles Anlageportfolio entscheiden können, in dem sich seine persönliche Risikoneigung abbildet. Nach oben hin sollten die Einzahlungen, wie auch bei der ersten Säule, mit der Höchstbeitragsgrundlage begrenzt sein. Wer möchte, kann natürlich jederzeit privat in der dritten Säule veranlagen. Um den langfristigen Vermögensaufbau zu sichern, dürfen die privaten Vorsorgeanlagen in der zweiten Säule aber nicht mehr vorzeitig entnommen werden. Das schützt das Kapital und fördert das disziplinierte Sparen für die Altersvorsorge. Zudem sollte das angesparte Vermögen im Todesfall des Anlegers auf die Familie oder Erben übergehen. Das ist ja gerade der Vorteil dieses Modells: Die Beschäftigten bauen echtes Vermögen auf, nicht nur Ansprüche an zukünftige Generationen. Und weil das so ist, könnte das angesparte Kapital auch als Sicherheit hinterlegt werden, um eine attraktivere Hypothekenfinanzierung zu erhalten.[3] Besonders für Familien könnte dies ein entscheidender Faktor bei der Immobilienfinanzierung sein.
In Ländern, in denen die Einzahlungen in private Pensionssysteme steuerlich begünstigt sind, werden die Auszahlungen meist besteuert. Das kann zum Beispiel pauschal geschehen, so machen es auch die Schweizer bei der privaten Säule 3a.
In den Pensions- und Vorsorgekassen des konservativen Österreich fließt der Großteil der Vermögenswerte derzeit in Staatsanleihen. Es geht nicht anders. Bei der “Abfertigung Neu” erzwingt allein die nominelle Kapitalgarantie diese Vorgehensweise, die mit Kapitalanlage nur wenig zu tun hat. Die schlechte Performance der Kassen (vgl. Abbildung 3) hat das Vertrauen der Bevölkerung und damit den schon historisch gewachsenen niedrigen Stellenwert kapitalgedeckter Vorsorge in Österreich zusätzlich geschwächt. Die Politik ist dabei wenig hilfreich. Zuletzt schürte selbst Vizekanzler Andreas Babler wieder Ängste, die Pensionisten könnten ihr Geld quasi über Nacht verlieren.[4]
Diese Sorge ist bei langfristigen Anlagezeiträumen unbegründet. Auf lange Sicht werden die vielgefürchteten Kurseinbrüche an den Börsen abgefedert, wie etwa in der Finanzkrise oder während der Corona-Pandemie. Breit gestreute, internationale Anlagen können das Risiko erheblich reduzieren und gleichzeitig hohe Renditen bringen. Während sich für jüngere Menschen riskantere Anlagestrategien rentieren, kann es für Ältere, gerade wenn nur mehr wenige Beitragsjahre verbleiben, sinnvoll sein, eher in risikoärmere Produkte zu investieren und damit die schon erreichte Portfolioentwicklung zu sichern. Zumindest die Hälfte der gewählten Produkte sollte aber immer und bei allen auf Aktien basieren, um lukrativen Renditen eine Chance zu geben. In der Einzahlungsphase muss sich das Anlageportfolio aber mit steigendem Alter mitentwickeln. Je älter, desto risikoärmer.
Mehr als nur ein netter Nebeneffekt: Wenn mehr Geld in betrieblichen Pensionen investiert ist, steht auch mehr Geld für Investitionen in die heimische Wirtschaft zur Verfügung. In nordischen Staaten sind Pensionsfonds wichtige institutionelle Investoren, die auch in Venture Capital (private Investitionen in Start-ups) und Private Equity (Investitionen in bereits ältere, noch nicht an der Börse notierte Unternehmen) investieren. In Dänemark wurde 2011 der Dachfonds „Vaekstkapital“ und drei Jahre später „Vaekstkapital II“ als Joint Venture mit Pensionsfonds gegründet. Der Dachfonds investiert in private Beteiligungsgesellschaften, die wiederum Jungunternehmen und Start-ups Venture Capital bzw. Private Equity zur Verfügung stellen.[5]
Fußnoten
Die Budgetrede, die das Land braucht – die Finanzminister Markus Marterbauer aber so nie halten wird.
Jeder weiß: Auf einem Bein zu stehen, ist auf Dauer eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Doch dem österreichischen Pensionssystem muten wir genau das zu. Es steht fast ausschließlich auf einem Bein: dem staatlichen Umlageverfahren. Zwar setzen viele Länder in Europa auf solche Systeme, doch kaum eines verlässt sich derart blind darauf wie Ö
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