Mythos Nummer eins: Der Staat wird seit Ausbruch der Krise kaputtgespart, womit sich die Lage immer weiter verschlimmert. Realität: Die Ausgaben des Staates sind in den vergangenen zehn Jahren ausnahmslos gewachsen.
Der Sparkurs in Europa muss ein Ende haben. Das fordern nicht nur Gewerkschafter und linke Ökonomen, sondern so gut wie jeder Politiker und Leitartikler. Aber wie schlimm ist die Lage wirklich? Wie groß der Spardruck, der auf den öffentlichen Haushalten lastet?
Zum Glück nicht so schlimm, wie von den Vertretern ausgabefreudiger Staaten gerne behauptet wird. Das beginnt schon damit, dass mit dem Begriff des Sparens bewusst Sprachverwirrung betrieben wird. Mit dem Ziel, die wahre Problematik in ihr Gegenteil umzukehren und den Prozess des wachsenden Staatskonsums als Tatsache anzuzweifeln. Unter Sparen verstehen wir gemeinhin Konsumverzicht: Jener Teil eines Einkommens, der nicht für Konsumzwecke ausgegeben wird, wird als Ersparnis bezeichnet. In Politik und Medien wird aber bereits von Sparen gesprochen, wenn die öffentlichen Ausgaben schwächer steigen als angenommen. Ein gebremstes Ausgabenwachstum läuft heutzutage unter dem Begriff „Austerität“. Das wäre ungefähr so, als würde eine Familie behaupten zu sparen, wenn sie nicht wie vergangenes Jahr drei, sondern vier Wochen in den Urlaub fahren würde, anstelle der geplanten fünf. Auch, wenn sie sich eigentlich nur zwei Wochen leisten kann. In diesem Sinne sparen so gut wie alle europäischen Haushalte.
Das gilt auch für Österreich, dessen öffentliche Ausgaben seit Jahrzehnten nur eine Richtung kennen: jene nach oben. Die Staatsausgaben lagen Ende vergangenen Jahres bei 158,51 Milliarden Euro. Das ist um 40 Prozent mehr als im Jahr 2003 oder um ein Fünftel mehr als im Jahr 2007, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Krise. Die öffentlichen Ausgaben wachsen hierzulande allerdings ohnehin „konjunkturunabhängig“. Stiegen sie in den fünf Jahren vor der Krise um 15 Prozent, waren es in den fünf Jahren danach 14 Prozent.
Die Teuerung lag in den vergangenen zehn Jahren übrigens bei 24 Prozent – womit die öffentlichen Ausgaben fast doppelt so schnell gewachsen sind wie das allgemeine Preisniveau. Dasselbe trifft auch auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte zu.
Von „Austerität“ ist in Österreich also weit und breit nichts zu sehen. Dasselbe trifft auch auf Deutschland, Frankreich und Italien zu. In allen drei Staaten sind die öffentlichen Ausgaben in den vergangenen zehn Jahren ausnahmslos gestiegen. Gesunken sind sie in Irland, den Ländern des Baltikums, auch in Griechenland sowie in Spanien. Allerdings schnellten die Staatsausgaben der südlichen Euroländer davor geradezu in die Höhe. Allein in Spanien wurden sie in den Jahren 2003 bis 2008 um 50 Prozent erhöht.
Die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben im Jahr 2012 übrigens 520 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Das lässt nicht gerade auf einen radikalen „Sparkurs“ schließen, was nichts daran ändert, dass vor allem aus Italien und Frankreich der Druck wächst, den „neoliberalen Sparkurs“ endlich aufzugeben. Also aus jenen Ländern, deren Ausgaben und Schulden in den vergangenen zehn Jahren vergleichsweise drastisch angeschwollen sind.
Gespart wird nicht in den öffentlichen Haushalten, sondern in den Budgets der Bürger, die immer höhere Steuern zu schultern haben. In diesem Sinne sollte der Sparkurs tatsächlich bald ein Ende haben.
Der Staat wird nicht „kaputtgespart“
Foto-Credit: Gina Sanders / Fotolia.com
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