Die SPÖ hat ein nicht mehr ganz neues Thema entdeckt: Das Trinkwasser droht an profitgeile Mächte verschachert zu werden. Dabei sind diese längst am Drücker.
Während sich die neue Expertenregierung noch einarbeitet, werden im Nationalrat Nägel mit Köpfen gemacht. Die ersten Wahlgeschenke sind im „freien Spiel der Kräfte“ längst paktiert, zudem stehen heranrollende Bedrohungen ungeahnten Ausmaßes vor ihrer Entschärfung: Die Privatisierung unseres Trinkwassers soll verboten, der Schutz vor dem Zugriff auf unsere Quellen in der Verfassung verankert werden. Eine Allianz aus SPÖ, FPÖ und – man höre und staune – den NEOS zeichnet sich bereits ab, sie wird die nötige Zweidrittelmehrheit liefern.
Wobei davon auszugehen ist, dass dem Vorhaben letzten Endes alle Parlamentarier zustimmen werden. Wer will schon im laufenden Wahlkampf gegen ein Privatisierungsverbot „unseres“ sauberen Trinkwassers sein? Und wenn schon weniger wichtige Dinge wie die Wiener Taxiordnung oder die Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern per Verfassung abgesichert sind, warum dann nicht auch das Trinkwasser? Schließlich hat der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ausgerechnet im staubtrockenen Spanien über die Privatisierung des österreichischen Wassers schwadroniert.
Das Problem liegt freilich darin, dass das österreichische Trinkwasser längst privatisiert ist. Hierzulande ist es nämlich so, dass das nasse Gold demjenigen gehört, der auch den über der Quelle liegenden Grund besitzt. Ist dieser privat, ist es auch das darunterliegende Wasser. Der Eigenbedarf kann aus der eigenen Quelle gedeckt werden, die kommerzielle Nutzung muss von den Wasserrechtsbehörden genehmigt werden. Das sind die Bezirksverwaltungen oder die Landesregierungen. Was auch vielerorts geschieht, andernfalls könnten nicht täglich Tausende von Mineralwasserflaschen in die Haushalte gekarrt werden. Von Gasteiner über Vöslauer bis hin zu Römerquelle – alles private Wasserlieferanten. Nicht der Besitz von Quelle und Leitung ist entscheidend, sondern die staatliche Regulierung. Sie stellt sicher, dass alle Haushalte sicher und günstig mit Wasser versorgt werden – und darauf kommt es an.
Was freilich nichts daran ändert, dass das Thema immer wieder zum großen politischen Aufreger hochgespielt wird. Vor sechs Jahren hat etwa die Arbeiterkammer Alarm geschlagen, weil die EU-Kommission die Wasserversorgung profitgeilen Lieferanten zuschanzen wollte. Das wäre verheerend, wie die AK damals argumentierte: Die Qualität des Wassers würde sich verschlechtern, und für diese schlechtere Qualität müssten auch noch höhere Preise gezahlt werden. Klar, wir kennen das ja aus anderen Bereichen: Wäre nicht auszudenken, müssten wir demnächst Brot von privaten Bäckern zu uns nehmen, deren Weizen noch dazu auf privatisiertem Boden zur Reife kam. Verheerende Qualität zu unbezahlbaren Preisen. Oder haben Sie jemals Fleisch konsumiert, das in akzeptabler Qualität zu leistbaren Preisen außerhalb einer staatlichen Kolchose hochgezüchtet wurde? Eben.
Zwei Jahre später stand das Thema wieder ganz oben auf der politischen Agenda. Die Wiener SPÖ hat das Volk befragt, was es denn davon halte, dass die EU österreichische Wasserreserven anzapfen und in den trockenen Süden umleiten wolle. Von einer verpflichtenden Ausschreibung der Wasserversorgung konnte zwar keine Rede sein. Vielmehr wollte die EU-Kommission eine öffentliche Ausschreibung, wenn eine Gemeinde die kommerzielle Nutzung von Wasserquellen erlauben will. Um zu verhindern, dass einer der Gemeinderäte oder einer seiner Amigos unter der Hand den Zuschlag für einen nicht ausgeschriebenen Versorgungsauftrag bekommt. Die Entscheidung darüber, ob die Wasserversorgung ausgelagert wird oder nicht, war und ist allein Sache der Gemeinde.
Das alles konnte die echauffierten Wiener nicht besänftigen. Was nicht ganz ohne Ironie ist, denn schließlich sind es die Wiener, die täglich die Quellen in Niederösterreich und der Steiermark anzapfen, um über zwei Hochquellleitungen mehr als 400 Millionen Liter Wasser pro Tag nordwärts zu leiten. Freilich nicht zum Schaden der Stadt Wien, die damit jährlich jenes Geld verdient, mit dem dann allerlei quersubventioniert werden kann. Wie einem etwas in die Jahre gekommenen Rechnungshofbericht zu entnehmen ist, hat die Stadt Wien allein zwischen 2005 und 2007 knapp 191 Millionen Euro Gewinn mit der Wasserversorgung eingefahren. Obwohl sich die kommunalen Anbieter hierzulande bei jeder Gelegenheit damit brüsten, nicht profitorientiert wie die „Privatwirtschaft“ zu arbeiten. Sondern gemeinnützig für die Menschen da zu sein.
Ein aktuellerer Bericht des Rechnungshofes liegt zwar noch nicht vor, es ist aber davon auszugehen, dass es zu keinen nennenswerten Gewinneinbrüchen gekommen ist. Es sei denn, die Kosten der Wiener Wasserwerke wurden massiv in die Höhe gefahren. Auf jeden Fall nach oben getrieben wurden die Wiener Wassergebühren, sie sind seit Verfassen des erwähnten Rechnungshofberichts um fast 48 Prozent gestiegen.
Höchste Zeit also, Nägel mit Köpfen zu machen und die Gewinne der kommunalen Wasserversorger über die Verfassung abzusichern.
Kommentar von Franz Schellhorn im neuen „Profil“ (15.06.2019).
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