Ein Streik gegen die Regierung
- 22.11.2018
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Der Gewerkschaft geht es in Wahrheit nicht nur um die Höhe der Löhne. Sondern vor allem um Rache an der Regierung für den 12-Stunden-Tag und den verloren gegangenen Einfluss. – Kommentar von Franz Schellhorn
Erstmals seit dem Jahr 2003 droht Österreich von einer Streikwelle überrollt zu werden. Die Gewerkschaft steuert auf Konfrontationskurs, falls am heutigen Sonntag in den laufenden Lohnverhandlungen keine Einigung erzielt wird. Kommt es tatsächlich zu landesweiten Streiks, wird die Gewerkschaft der konsensorientierten Bevölkerung plausible Gründe liefern müssen.
Nun haben die Bürger dieses stark ausgebauten Wohlfahrtsstaates zwar traditionell viel Verständnis für die Anliegen der Arbeitnehmerschaft. Eine nicht erfüllte Forderung von 5 Prozent mehr Lohn wird aber nur schwer als Streikgrund durchgehen. Würde die volle Produktivität des Vorjahres (1,6 Prozent) und die Inflation (2,1 Prozent) abgegolten, läge der Lohnzuwachs in der Gegend von 3,7 Prozent. Üblicherweise wird aber der Produktivitätszuwachs der vergangenen Jahre mit den Arbeitgebern geteilt, womit die KV-Erhöhung in Richtung drei Prozent rutschen würde.
Aber darum geht es dem ÖGB in Wahrheit nicht. Es ist nicht zu übersehen, dass das eigentliche Ziel der Streiks die Regierung ist. Warum? Weil die Regierungsfraktionen im Sommer die Flexibilisierung der Arbeitszeit an der Gewerkschaft vorbei im Nationalrat beschlossen haben. Seit 1. September ist für alle Betriebe möglich, wozu die Gewerkschaften in einigen Branchen bereits zugestimmt haben: In Spitzenzeiten darf bis zu zwölf Stunden am Tag gearbeitet werden, wobei die durchschnittliche Arbeitszeit über einen Zeitraum von 17 Wochen 48 Stunden nicht übersteigen darf.
Diese Flexibilisierung ist in Europa Standard und wird seit vielen Jahren auch in Österreich diskutiert. Zuletzt hat die Regierung des damaligen Kanzlers Christian Kern den Sozialpartnern den Auftrag erteilt, einen Mindestlohn auszuhandeln und eine Lösung in Sachen Arbeitszeit zu finden. Der Mindestlohn wurde fixiert, hinzu kam noch die von SPÖ und FPÖ beschlossene Angleichung von Arbeitern und Angestellten.
Auch bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit war eine Lösung in Sicht. Im Zuge des bereits anlaufenden Wahlkampfs scheiterte eine Einigung am Widerstand der Arbeitnehmervertreter. Die Regierungsparteien haben das noch unter Kern in Aussicht gestellte Szenario umgesetzt und die Flexibilisierung mit den Stimmen der NEOS im Nationalrat verabschiedet. Mit der Folge, dass die Gewerkschaften künftig von den Unternehmern nicht mehr gefragt werden müssen, wenn Auftragsspitzen abzudecken sind. Und genau darum geht es. Dass die Gewerkschaft damit keine Freude hat, ist verständlich. Sie selbst ist an der Situation aber alles andere als unbeteiligt.
Kommentar von Franz Schellhorn in der Tageszeitung „Kleine Zeitung“, 18.11.2018
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