Es regiert wieder die ganz normale Unvernunft in der österreichischen Pensionspolitik. Gerade erst wurde die Inflationsrate und damit die Grundlage für die gesetzlich geregelte Pensionserhöhung mit 1,8 Prozent ermittelt. Doch blitzartig betonen die großen Parlamentsparteien und ihre mächtigen Senioren-Vorfeldorganisationen, dass es damit nicht getan sein dürfe. Der Nationalrat solle schnell noch eine außerordentliche Pensionserhöhung beschließen, fordern die Pensionistenlobbies.
Der Wahlkampf ist bekanntlich die Phase fokussierter Unintelligenz. Und das gilt für die Pensionen, immerhin der wichtigste Ausgabenposten für den österreichischen Staat, ganz besonders. Denn Tatsache ist, dass das heimische System der Alterssicherung wahrlich im Parlament debattiert werden sollte. Aber nicht für eine Husch-Pfusch-Pensionserhöhung, sondern um es langfristig generationengerecht abzusichern. Das System kommt schon heute mit den vorhandenen Mitteln längst nicht mehr aus, für 2019 sind etwa 10,6 Milliarden Euro budgetiert, die von den Steuerzahlern für die Pensionsversicherung zugeschossen werden. Das sind immerhin rund 170 Euro monatlich pro Lohnsteuerzahler. Berücksichtigt man noch andere altersbedingte Kosten wie die Beamtenpensionen und die Pflege, betragen die Ausgaben bereits 20 Milliarden Euro.
Und diese Kosten sind schon stark gestiegen, noch ehe die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer, die heute 50- bis 56-jährigen, geschlossen in Pension gehen. Ein zentrales Problem ist, dass das durchschnittliche Antrittsalter im internationalen Vergleich und angesichts der stark gestiegenen Lebenserwartung immer noch zu niedrig ist – und es zudem nur dank statistischer Tricks auf über 60 Jahre hochgerechnet wird. Und selbst wenn man diesen Taschenstatistikertrick für bare Münze nimmt, dann verbringen die Österreicher heute um rund acht Jahre länger in Pension als noch 1970. Auf rund 31 Beitragsjahre kommen im Schnitt bereits mehr als 23 Jahre Pensionsjahre.
Empfehlungen der EU-Kommission oder der OECD, es anderenLändern gleichzutun und etwa eine Automatik einzuführen, die dafür sorgt, dass das gesetzliche Antrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt wird, werden geflissentlich ignoriert. Auf eine aktuelle Frage, ob das gesetzliche Pensionsantrittsalter steigen soll, antworten für die Aktion Wahlkabine.at alle Parlamentsparteien mit Nein, ausgenommen die Neos.
Diese gefährliche Haltung mag politisch nachvollziehbar sein. Denn es geht um viele Wählerstimmen: Die über 55-Jährigen stellen 42 Prozent der Wahlberechtigten. 1982 war es noch knapp ein Drittel. Und sie zeigen relativ wenig Interesse daran, das Pensionssystem langfristig abzusichern. Nur so lassen sich die Ankündigungen der Seniorenvertreter deuten, wonach “die Pensionisten nicht noch einmal zu kurz kommen dürfen”.
Aber bei Politikern, die nicht nur in Legislaturperioden und Wahlkampfzyklen denken, sollten derartige Forderungen die Alarmglocken schrillen lassen.
Gastkommentar von Dénes Kucsera im Kurier (26.08.2019).
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