COVID-19

„Das wichtigste Konjunkturpaket heißt Impfen“

Zum Schuldenabbau brauche es Wirtschaftswachstum und eine Pensionsreform, sagt Franz Schellhorn von der Agenda Austria. Von Steuererhöhungen hält er nichts: Nach dem schlechten Corona-Management könne der Staat „schwer einen höheren Preis für seine Leistungen von den Bürgern verlangen.“

Im Jahr 2020 erlebte Österreichs Schuldenstand einen Rekordanstieg. Er stieg von 70,5 Prozent Ende 2019 auf zurzeit rund 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wie soll Österreich diese Schulden wieder abbauen? 

Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass eine Welt ohne Wachstum keinen schönen Anblick bietet.

Am besten, indem das Land möglichst rasch wieder auf den Wachstumskurs zurückkehrt. Das vergangene Jahr hat nämlich gezeigt, dass eine Welt ohne Wachstum keinen schönen Anblick bietet. Das wichtigste Konjunkturpaket heißt Impfen. Österreich muss so schnell wie möglich in die Gänge kommen. Es ist kaum zu erklären, dass ausgerechnet die EU-Länder bei den Impfungen so stark hinterherhinken, zumal ein hochwirksamer Impfstoff ja in Rekordzeit in Deutschland entwickelt wurde.

Beim Impfen sind zuerst Europas Gesundheitsminister aktiv geworden, Österreich wollte sich gemeinsam mit Israel um Impfstoffe bemühen. Am Ende hat die EU-Kommission alle zurückgepfiffen. Ein Fehler?

Aus heutiger Sicht war das ein Fehler. Aber im Nachhinein ist man natürlich immer klüger. Ich stelle mir auch ungern vor, was passiert wäre, hätte Österreich im Sommer 2020 gemeinsam mit Israel bestellt und nicht mit den EU-Partnerländern. Alle wären über Österreich hergefallen. Auch wenn Israel die Daten der geimpften Bürger anonymisiert an die Pharmaindustrie weitergibt, hätte allein das schon zu einem Aufschrei in Österreich geführt. Vom Vorwurf des „antieuropäischen“ Verhaltens nicht zu reden.

Was sollte die EU jetzt tun, nachdem sie im ersten Quartal so stark in Rückstand geraten ist?

Versuchen, diesen Rückstand mit allen Mitteln aufzuholen. Stattdessen scheint die EU-Kommission damit beschäftigt zu sein, die eigenen Fehler zu kaschieren und die Schuld auf die Impfstoffhersteller abzuschieben. So wurde etwa Biontech der Geldgier geziehen. Also jenes europäische Pharmaunternehmen, das in nur acht Monaten einen hochwirksamen Impfstoff entwickelt hat. Das muss man sich einmal vorstellen. Dabei hat die EU-Kommission viel zu spät bestellt, sich zu sehr auf den Preis fixiert und die Frage der Produktionskapazitäten außer Acht gelassen.

Österreich leistet sich eine sehr teure Staatsverwaltung – aber sie scheint noch immer überfordert zu sein.

Was sollte der Gesundheitsminister tun, damit das Impftempo in Österreich erhöht wird?

Solange es an der Menge des verfügbaren Impfstoffs scheitert, kann der Minister wenig tun. Aber jetzt sollte das Wenige schnell verteilt werden. Und sollte es tatsächlich so sein, dass Österreich ab April mit Impfstoffen überschwemmt wird, muss der Staat logistisch darauf vorbereitet sein. Danach sieht es aber nicht aus, vielmehr scheinen viele Fragen noch immer ungelöst. Ärzte wissen nicht, ob und wann sie impfen dürfen, beim Anmelden herrscht Verwirrung. Hunderttausende Menschen warten auf eine Impfung, die meisten davon haben noch keinen Termin bekommen. Österreich leistet sich eine sehr teure Staatsverwaltung – aber sie scheint noch immer überfordert zu sein.

Was halten Sie von Forderungen nach Steuererhöhungen oder neuen Steuern zu Abbau des Budgetdefizit – Stichwort: Millionärs-, Erbschafts-, Digital- und Finanztransaktionssteuer?

Die Regierung sollte an der geplanten Entlastung seiner Bürger festhalten.

Diese Debatte kennen wir ja schon aus den vergangenen Jahren. Sie ist ein Evergreen, auch in wirtschaftlich guten Zeiten. Entscheidend ist jetzt, dass der Blick der Bevölkerung wieder nach vorne gerichtet wird. Deshalb sollten Debatten um Steuererhöhungen vermieden werden, sie wären Gift auf dem Weg zu mehr Wachstum. Und wenn ein Staat schon nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung rasch gegen eine schlimme Krankheit zu impfen, kein funktionstüchtiges Contact-Tracing auf die Beine zu stellen und weder seine Verwaltung noch seine Bildungssysteme digitalisiert hat, kann dieser Staat schwer einen höheren Preis für seine Leistungen von den Bürgern verlangen. Das genaue Gegenteil sollte passieren, die Regierung sollte an der geplanten Entlastung seiner Bürger festhalten.

Dass bei Österreichs Verwaltung Nachbesserungsbedarf besteht – Stichwort: Digitalisierung – wussten heimische Unternehmer schon früher. In der Corona-Krise würde es für viele offenkundig. Was sollte jetzt geschehen?

Die Pandemie hat gezeigt, wie hoch das Engagement vieler Staatsbediensteter ist. Das gilt vor allem für Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, aber auch für Lehrer. Gleichzeitig haben die vergangenen zwölf Monate aber auch die Schwachstellen der Staatsverwaltung schonungslos offengelegt. Diese sind rasch zu korrigieren. Home-Office ohne Zugang zu den Servern der jeweiligen Dienststellen sollten ebenso der Vergangenheit angehören wie die Zettelwirtschaft im Impfprozess und das wochenlange „Home-Teaching“ durch (überforderte) Eltern. Zudem sollte Österreich fiskalpolitisch den skandinavischen Weg einschlagen und nicht den italienischen.

Dänemark und Schweden haben sich in der Hochkonjunktur die nötigen Spielräume erarbeitet, die sie jetzt nutzen können.

Die Regierung muss sicherstellen, dass im nächsten Aufschwung Budgetüberschüsse anfallen, um die in der Krise aufgebauten Schulden abzubauen. Dänemark und Schweden haben ähnlich stark ausgebaute Sozialsysteme wie Österreich – aber nur halb so hohe Staatsschulden. Sie haben sich in der Hochkonjunktur die nötigen Spielräume erarbeitet, die sie jetzt nutzen können. Österreich hat diese Spielräume nicht, weil wir über einen langen Zeitraum hinweg auch in den Jahren der Hochkonjunktur neue Schulden angehäuft haben. Das muss sich ändern. Weil sich sonst nachkommende Generationen mit gewaltigen Schulden konfrontiert sehen, die sie möglicherweise nicht mehr bedienen können.

Werden der Wirtschaftsaufschwung und die damit einhergehenden Budgetüberschüsse wirklich reichen? Allein das Pensionsloch wächst permanent und kann nur mehr über einen immer größeren Anteil des jährlichen Bundesbudgets – zurzeit ein Viertel – gestopft werden.

Um die Schulden abzubauen, wird eine Pensionsreform unerlässlich sein.

Um die Schulden abzubauen, wird eine Pensionsreform unerlässlich sein. Nur zum Vergleich: Das Budgetdefizit des Bundes erreichte im Krisenjahr 2020 knapp 22,5 Milliarden Euro. Dieselbe Summe fehlt im staatlichen Pensionssystem (Differenz zwischen den Einzahlungen der Aktiven und den Auszahlungen an die Pensionisten). Allerdings nicht nur einmal, sondern jedes Jahr. Weil wir viel zu früh in Pension gehen. Wir müssen aber jedes Jahr um zwei bis drei Monate später in Frühpension gehen. Allein bis 2030 kommen 1,1 Millionen Pensionisten dazu, dann müssen 1,3 Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen. Aber wie soll das funktionieren?

Und Privatisierungen?

Wenn das Geld dann immer noch nicht reicht, sind auch Privatisierungen ein gutes Mittel, um die Schulden zurückzuführen.

Viele gehen davon aus, dass die Zinsen im Keller bleiben – aber niemand weiß es.

Manche meinen, wir machen uns wegen unserer Schulden ohnehin zu viel Sorgen, gerade in Zeiten der Niedrigzinspolitik. Warum sind die Schulden ein Problem?

Weil heute niemand sagen kann, wie hoch die Zinsen für die Staatsschulden in 10 oder 20 Jahren sein werden. Viele gehen davon aus, dass die Zinsen im Keller bleiben – aber niemand weiß es. Der Staat hat hier eine gigantische Spekulation am Laufen. Aber was, wenn sie schiefgeht und nachkommende Generationen vor unfinanzierbaren Belastungen stehen? Deshalb: Lieber den skandinavischen Weg gehen und in besseren Zeiten wieder Spielräume für die schlechteren Zeiten schaffen.

Interview mit Franz Schellhorn auf „exxpress.at“ (18.03.2021)

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