Steuern & Abgaben

Auch diese Regierung hat die Ausgaben nicht im Griff

Franz Schellhorn im Interview mit der Presse.

Unser Steuersystem ist leistungsfeindlich, intransparent und hochkomplex. Wir fordern eine Steuerreform, die nicht nur Belastungen umschichtet.

Die Presse: Ab wann ist eine Steuerreform tatsächlich eine Reform?

Das hängt vom Standpunkt ab. Viele verstehen darunter mehr als nur eine Tarifreform. Also nicht nur das Absenken oder Erhöhen von Steuertarifen, so wie das bei der letzten Reform im Jahr 2016 der Fall war. Aus Sicht der Agenda Austria ist dann von einer echten Reform zu sprechen, wenn nicht Belastungen umgeschichtet werden. Sondern wenn am Ende ein leistungsfreundliches, transparenteres und einfacheres Steuersystem steht. Österreich hat derzeit in allen drei Kategorien ein Problem. Unser Steuersystem ist leistungsfeindlich, intransparent und hochkomplex.

Können Sie die Leistungsfeindlichkeit an einem Beispiel veranschaulichen?

Wenn jemand ausmalen lässt, muss er 1100 Euro brutto verdienen, um die Rechnung des Malers in Höhe von 600 Euro bezahlen zu können. Dem Maler selbst bleiben 260 Euro. Am Ende dieser Transaktion gehen also 260 Euro an den Maler und 840 Euro an den Staat. Das ist leistungsfeindlich.

Jetzt plant die Regierung, die Lohnsteuersätze zu senken, den Eingangssteuersatz etwa von 25 auf 20 Prozent. Ist das schon leistungsfreundlich?

Aktuell haben wir in Österreich fast eine Flat Tax auf sehr hohem Niveau. Um das spürbar zu ändern, würden wir also noch weiter gehen als die Regierung. Wir von der Agenda Austria wären für einen Eingangssteuersatz von zehn Prozent. Und auch der Spitzensteuersatz müsste deutlich gesenkt werden.

Der liegt bei 55 Prozent.

Norwegen und der Kanton Zürich kommen mit einem Spitzensteuersatz von 40 Prozent aus. Und das wäre auch für Österreich ein richtiger Weg. Wir von der Agenda Austria sind also dafür, alle Steuertarife zu senken und die Lohnsteuerkurve zu entzerren.

Der Regierung schwebt bei Einkommen eine Entlastung von etwa einer Milliarde Euro vor. Ihr Modell liegt weit darüber.

Das wäre eine Entlastung um acht Milliarden. Und diese Summe sollte die Regierung auch anpeilen. Sie sollte sich da viel mehr zutrauen. Aber leider ist der Staat bei den Einnahmen sehr effizient, aber bei den Ausgaben nicht. Auch diese bürgerliche Regierung hat die Ausgaben nach wie vor nicht im Griff. Das ist aber die Voraussetzung für eine größere Steuersenkung. Am Ende werden alle unzufrieden sein.

Alle wollen die Ausgaben senken, aber keiner sagt konkret, wo der Staat künftig weniger Leistung erbringen soll.

Man muss die Ausgaben auch gar nicht kürzen, man muss deren Wachstum bremsen. Das gelingt aber nur mit einer Ausgabenbremse. Schweden macht das gut. Dort steigen die Ausgaben nur um die Inflationsrate. Dort gibt es seit 2010 für den Bund und das Pensionssystem ein Überschussziel von einem Prozent des BIP, welches über einen Konjunkturzyklus hinweg erreicht werden muss. Damit fällt in guten Jahren auf jeden Fall ein Überschuss an.

Warum hat der Staat das bekannte Ausgabenproblem?

Weil die Ausgaben für den Finanzminister relativ unkontrollierbar sind. Das beste Beispiel ist das jüngste Budget. Wir haben erstmals seit Jahrzehnten einen hauchdünnen Überschuss im Staatshaushalt. Der Bund ist ja nach wie vor defizitär. Der Letzte, der erfahren hat, dass wir einen gesamtstaatlichen Überschuss haben, war der Finanzminister.

Weil Länder und Sozialversicherungen ihre Zahlen zuerst der Statistik Austria liefern.

Genau. Nun haben Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen Überschüsse erzielt. Doch wo soll der Finanzminister die Ausgaben eindämmen, wenn er mehr oder weniger im Blindflug unterwegs ist?

Föderalismus gibt es aber nicht nur in Österreich.

Aber die Verantwortung für Ausgaben und Einnahmen liegen nirgendwo so weit auseinander wie bei uns. Wenn man aber daran rüttelt, schreien viele: „Man will den Föderalismus abschaffen!“ Ich meine: Bevor man den Föderalismus abschafft, sollte man ihn erst einmal einführen. Wir haben nämlich einen Einnahmen-Zentralismus, kombiniert mit einem Ausgaben-Föderalismus. Eine Hand nimmt ein und viele Hände geben aus. Das ist die teuerste Form der Staatsorganisation.

Es ist eben schön, mit Steuergeld vielen Menschen zu helfen.

Es ist eine Visitenkarte der politischen Landschaft Österreichs, dass man den Leuten zuerst etwas nimmt, um es ihnen über Umwege wieder zurückzugeben. Das ist ja auch bei der kalten Progression so. Die Leute merken nicht, dass ihnen der Staat Geld aus der Tasche zieht. Und später verkündet derselbe Staat die größte Steuerentlastung der Geschichte. Das ist eine österreichische Krankheit.

Wie kann man diese Krankheit wirksam behandeln? Indem man etwa zuerst die kalte Progression abschafft?

Genau das haben die Regierungsparteien vor den Wahlen im Jahr 2017 auch versprochen. In anderen Ländern wurde die kalte Progression längst abgeschafft. Sie ist auch die größte Unart im österreichischen Steuersystem. Der Staat kassiert versteckt enorm hohe Beträge, die ihm nicht zustehen. Und der Bürger merkt es gar nicht. Also sammelt der Staat bis 2022 wieder heimlich acht Milliarden Euro ein, um dann zu entlasten.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem 13. und 14. Monatsgehalt. Es wird als Geschenk gesehen, nicht als zurückgehaltener Lohn.

Das ist auch ein Teil unseres intransparenten Steuersystems. Jeder weiß, was er netto im Monat verdient, kaum einer kennt sein Jahresnettogehalt. Deshalb braucht es auch einen transparenteren Lohnzettel. Manche Menschen sehen im Urlaubs- und Weihnachtsgeld ein Geschenk vom Staat. Dabei haben sie selbst es erwirtschaftet.

Es wäre politischer Selbstmord, das 13. und 14. anzutasten.

Ja, das ist sonderbar. Die Österreicher wollen offensichtlich vieles nicht so genau wissen, auch nicht, was sie wirklich verdienen.

In diesem System zahlen jene, die es nicht wissen wollen, mehr Steuern als tatsächlich nötig.

Deshalb ist unser Steuersystem auch ein Traum für jeden Steuerberater. Jeder, der seinen Lohnsteuerausgleich macht, weiß das. Das geht ohne Steuerberater fast nicht mehr.

Steuerberater braucht man aber auch in anderen Ländern.

In der Schweiz sehen sich die Finanzbeamten als Steuerberater. Die helfen einem.

Eines dieser lieb gewonnenen Steuerzuckerln ist das Pendlerpauschale.

Auch das ist sehr österreichisch: Man will zwar seine ökologische Steuerreform, will aber Pendlern jährlich mehr Steuergeld zur Verfügung stellen. Es wäre interessant zu sehen, was passierte, wenn das Pendlerpauschale aus ökologischen Gründen gestrichen würde.

Es gäbe einen Volksaufstand.

Ja, einen Volksstau.

Die Senkung der Körperschaftssteuer KöSt erachten Sie als weniger dringend?

Natürlich ist sie im Vergleich zu einigen Nachbarstaaten hoch, aber sie ist nicht das dringendste Problem. Ich habe noch keinen Konzern gesehen, der wegen der KöSt nicht nach Österreich gegangen wäre. Das größte Problem der Unternehmer ist der grassierende Fachkräftemangel.

Dieses Problem wird sich aber nicht so schnell lösen lassen.

Wir müssen aber alles tun, um es zu lösen. Weil unser Wohlstand davon abhängt. Teils über Zuwanderung qualifizierter Menschen, aber auch über Mehrarbeit bestehender Fachkräfte. Also von Leuten, die bereit sind, mehr zu leisten als notwendig wäre. Und diese Leute muss man entlasten. Das wäre auch im Interesse der Unternehmer, und deshalb auch viel wichtiger als eine Senkung der KöSt.

Womit wir wieder beim leistungsfeindlichen Steuersystem wären.

Wir sind als Volkswirtschaft auf jene Leute angewiesen, die gewillt sind, mehr zu tun als notwendig. Nur so werden wir unseren Wohlstand erhalten.

Interview mit Franz Schellhorn in der Presse, 12.04.2019.

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