Staatshaushalt

Was Finanzminister Marterbauer sagen sollte – aber nie sagen wird

Am kommenden Dienstag hält Markus Marterbauer (SPÖ) seine erste Budgetrede. Schon Tage zuvor ist klar: In der Rede wird vieles fehlen, was nicht fehlen dürfte.

„Hohes Haus, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Wie ein früherer – mir alles andere als nahestehender – Finanzminister sehr treffend meinte, beginnt ein guter Tag mit einem sanierten Budget. In diesem Sinne ist der heutige 13. Mai ein denkbar schlechter Tag. Denn die Staatsfinanzen sind – man kann es nicht anders sagen – in einem verheerenden Zustand. Um Ihnen die Lage zu verdeutlichen: Trotz der zweithöchsten Staatseinnahmen gemessen an der Wirtschaftsleistung reißen wir das vierthöchste Defizit aller Euro-Länder auf. Nur meine finnische Kollegin Riika Purra hat noch mehr Geld zur Verfügung als ich, dennoch fehlen uns heuer über 26 Milliarden Euro. Nun könnte ich Ihnen von der Krise in Deutschland vorjammern, von den kriegslüsternen Russen oder den unpräzisen Prognosen der Wirtschaftsforscher. Aber das wäre nicht ehrlich. Unsere finanziellen Probleme sind hausgemacht. 

Als überzeugten Keynesianer fällt es mir nicht leicht, die Ursache für unsere anhaltende Budget-Misere zu benennen: Es sind die viel zu hohen Staatsausgaben. Unser Staatsbudget sieht so aus, als hätten wir es mit einer nicht enden wollenden Pandemie zu tun. Ja, andere Länder stehen noch schlechter da, denken wir nur an Frankreich. Wir sollten uns aber nicht länger an den schlecht geführten Staaten orientieren, sondern an den gut geführten. In Schweden und Dänemark erwirtschafteten meine sozialdemokratischen Kollegen mit niedrigeren Einnahmen deutlich bessere Budget-Ergebnisse. Warum? Weil der Staat dort viel weniger Geld ausgibt.  

Schweden, das Land meiner weltanschaulichen Träume, hat einen gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat, aber nur halb so hohe Staatsschulden wie Österreich. Die Schweden sind für den nächsten Schock gerüstet, wir sind ihm hilflos ausgeliefert.

Schweden, das Land meiner weltanschaulichen Träume, hat dennoch einen gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat, aber nur halb so hohe Staatsschulden wie Österreich. Die Schweden sind für den nächsten Schock gerüstet, wir sind ihm hilflos ausgeliefert. Deshalb müssen wir die Neuverschuldung senken, indem wir das Ausgabenwachstum bremsen. Das ist der einzig funktionierende Weg zu einem sanierten Staatshaushalt, wie der italienische Spitzenökonom Alberto Alesina in zahlreichen Publikationen nachgewiesen hat. Nur um Ihnen ein Gefühl zu geben, wovon ich spreche: Wären die rekordhohen Staatsausgaben seit 2019 nur um die ohnehin sehr hohe Inflation erhöht worden, gäben wir heute immer noch um 50 Milliarden Euro mehr aus als damals – aber um fast 30 Milliarden Euro weniger als wir es derzeit tun. Mit anderen Worten: Wir hätten einen Budgetüberschuss!  

Wir müssen aber auch schon heute den größten Kostentreiber von morgen „einfangen“: die Pensionen. In meiner früheren Funktion als Chefökonom der Arbeiterkammer habe ich das Pensionsproblem unterschätzt. Schlimmer noch: Ich habe es kleingeredet. Das war ein Fehler. Denn als Finanzminister sehe ich jetzt, wie viel Geld uns da Jahr für Jahr durch die Finger rinnt. Allein um das Defizit im staatlichen Pensionssystem abzudecken, brauchen wir jährlich 32 Milliarden Euro. Das sind die gesamten Lohnsteuereinnahmen von Jänner bis Anfang November. Oder ein Viertel des Bundeshaushalts. So können wir nicht weitermachen, die Babyboomer beginnen ja gerade erst, in Pension zu gehen. So schwer es mir aus überzeugtem Sozialdemokraten auch fällt: Wenn wir den Sozialstaat in seiner jetzigen Form erhalten wollen, müssen wir länger arbeiten, nicht kürzer. Jedes Jahr, das wir später in Frühpension gehen, entlastet das Budget um 2,5 Milliarden Euro.  

Meine Gesinnungsgenossen werden aufschreien. Sie werden höhere Steuern von der Wirtschaft und den Vermögenden fordern. Das verstehe ich. Aber ich bin nicht Finanzminister der SPÖ, sondern der Republik Österreich. Und als solcher sehe ich, dass wir die Wirtschaft mitten in der hartnäckigsten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik nicht noch stärker belasten können als wir das schon tun. Vermögensteuern würden dem Budget nicht nur nicht weiterhelfen, sie würden die Staatseinnahmen sogar verringern. Wie das renommierte ifo-Institut für Deutschland berechnete, wäre der Steuerausfall bei einer ein Prozent hohen Vermögensteuer nach zehn Jahren doppelt so hoch wie die Einnahmen. Weil sich der Abfluss von Kapital weiter beschleunigt und den Unternehmen das Geld für Investitionen fehlt. In Österreich wäre es nicht anders.  

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass gerade wir Sozialdemokraten es sind, die den Unternehmen ein gutes Umfeld bieten müssen. Denn wie schon mein großes politisches Idol Bruno Kreisky meinte: Wer die Kuh melken will, muss sie auch füttern. In diesem Sinne beginnt ein guter Tag mit sinkenden Staatsausgaben und niedrigeren Steuern. Glück auf!“ 

Kolumne von Franz Schellhorn in „Die Presse” (10.5.2025). 

 

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