Kein Mensch muss alles wissen; oft reicht es, wenn man weiß, wo man nachschlagen kann, um die notwendigen Informationen zu finden. Schulbücher sollten genau diese Funktion erfüllen. Hochwertige Lehrmaterialien sind heute wichtiger denn je, insbesondere für die steigende Zahl der aufgrund des Personalmangels im Schulbetrieb benötigten Quereinsteiger.
Doch wie sich zeigt, sind die Schulbücher im Fach „Geographie und wirtschaftliche Bildung“ oft nicht hilfreich. Der Fokus liegt wieder stark auf dem Teilbereich Geographie. Auch die behandelten wirtschaftlichen Themen sind so ausgewählt, dass sie sich bestmöglich mit geographischen Aspekten kombinieren lassen. Wer hofft, in den Büchern beispielsweise Informationen über die grundlegende Funktionsweise des Marktes zu finden, wird fast durchgehend enttäuscht. Das Ergebnis ist, dass Schüler elementare ökonomische Zusammenhänge nicht verstehen.
Wie Angebot und Nachfrage die Preise gestalten, wie ein Land wohlhabender oder die Wirtschaft qualitativ hochwertiger wird, erfährt man allenfalls in Bruchstücken, meist zusammenhangslos und auch erst recht spät – also zu einem Zeitpunkt, wo die Schilderung von Armut und globalen Ungerechtigkeiten längst den Grundtenor gesetzt hat.
Zweifelsfrei sind Armut und Vermögensverteilung wichtige Themen. Allerdings könnte man sich von Schulbüchern zunächst einmal erwarten, die Fakten zur Entwicklung zu kennen. Es sollte dort zuvorderst erwähnt werden, dass die globale Armut in den vergangenen 50 Jahren dramatisch gesunken ist – und woran das unter anderem liegt (Spoiler: Die Marktwirtschaft hat einen wesentlichen Anteil daran).
Während die – noch bestehende – Armut den Verfassern von Schulbüchern so wichtig ist, dass sie mitunter gleich mehrfach behandelt wird, fehlen andere Themen völlig. Ebenfalls häufig behandelt (weil gut mit Geographie vereinbar) werden Nachhaltigkeit, Konsum, Kreislaufwirtschaft und Klimawandel. Auch die – in den Unterrichtsbehelfen fast ausschließlich negativen – Effekte der Globalisierung spielen eine große Rolle. Warum Menschen einst überhaupt auf die Idee kamen, Handel zu betreiben, dürfen unsere Kinder freilich nicht erfahren.
Nur in Ausnahmefällen wird eine Einführung in das Steuer- und Abgabensystem ermöglicht; auch brauchbare Inhalte zum Unternehmertum sucht man vergeblich.
Besonders ärgerlich: Manche Informationen sind schlicht falsch. Wer sich mit den Inhalten von derzeit verwendeten Unterrichtsbehelfen beschäftigt, wird schnell feststellen, dass nicht ein einzelnes Buch oder ein spezieller Verlag das Problem ist. Grob falsche Darstellungen finden sich praktisch überall. Hier ein paar Beispiele:
Die Arbeitslosenquote wird im AHS-Schulbuch „MEHRfach Geographie“ vom Veritas Verlag als „Anteil von Arbeitslosen an der Gesamtbevölkerung“ definiert.[1]
Über die Höhe des Arbeitslosengeldes findet man im gleichen Schulbuch folgende Information: „Alle Arbeitslosen, die in ihrem Leben mindestens sechs Monate berufstätig waren, erhalten Arbeitslosengeld. Die Höhe und Dauer der Auszahlung richtet sich nach dem letzten Einkommen und dem Alter der betroffenen Person.“[2]
Schlimm genug, wenn die Autoren eines Schulbuchs Wissenslücken aufweisen. Mindestens genauso problematisch ist die ideologisch stark gefärbte Aufbereitung von Themen, über die man in Unterrichtsmaterialien immer wieder stolpert.
Im vom Trauner Verlag publizierten Buch „Vernetzungen – Geografie, Volkswirtschaft und Wirtschaftsgeografie“ für berufsbildende höhere Schulen (BHS) finden sich etwa die Kapitelüberschriften „Arme Bauern, reiche Konzerne – Landwirtschaft im Süden“ sowie „Kleinbauern gegen Konzerne“.[3] Wohl mit Absicht wird hier unterstellt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen armen Landwirten und reichen, weil profitgierigen Konzernen gebe. Dem ist natürlich nicht so. Es gibt arme und reiche Bauern, große und kleine Unternehmen, aber das eine folgt nicht zwangsläufig aus dem anderen. Warum sollen Schulkinder das trotzdem glauben?
Aus „Geospots“, einem Buch vom Veritas Verlag für Handelsakademien (HAK), stammt das folgende Zitat: „Global Players sind nach Ansicht vieler bereits mächtiger als manche Staaten. Dementsprechend selbstbewusst treten sie auf und versuchen, sich in die Politik einzelner Staaten einzumischen, um so ihre Interessen durchzusetzen. Dieses Lobbying bei Regierungen und Organisationen verfolgt meist rein wirtschaftliche Ziele und wird von vielen kritisiert, da Themen wie Kinderarbeit, soziale Absicherung der MitarbeiterInnen, ordentliche Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und Umweltschutz auf der Agenda der Global Players nicht an oberster Stelle rangieren.“[4] Was solche Texte suggerieren: Nicht nur einzelne Bürger sind den Konzernen wehrlos ausgeliefert, auch die Politik kann sich kaum gegen deren Macht behaupten. Diese Erzählungen sind von klassischen Verschwörungstheorien nicht allzu weit entfernt. Kein Wunder, wenn junge Menschen Konzerne für das ultimativ Böse halten und mit unternehmerischer Tätigkeit nichts zu tun haben wollen. Einer neutralen Debatte wird so schon im Vorfeld der Boden entzogen.
Ein Zuordnungsbeispiel (siehe Abbildung 4), wie im AHS-Buch „unterwegs“ des Österreichischen Bundesverlag Schulbuch (öbv) zu den „Auswirkungen der Multis“, stellt die Schüler bewusst und tendenziös vor die Wahl zwischen einem ausbeutenden Kapitalismus oder einer moralisch überlegenen Staatswirtschaft. In einer zugehörigen Aufzählung heißt es zwar, dass „Multis“ Arbeitsplätze und Handel schaffen; gleichzeitig wird behauptet, sie „verschaffen sich Vorteile durch Ausbeutung der Arbeitskräfte und der Umwelt“ und „beherrschen den Markt durch Preisabsprache“. Das ist schon deswegen problematisch, weil die Erfahrungen in real existierenden Staatswirtschaften zu keiner der angegebenen Eigenschaften führten. Zudem verkürzt dies die Debatte und spielt Staat gegen Wirtschaft aus. An einer differenzierten Auseinandersetzung mit Globalisierung und multinationalen Unternehmen aufseiten der Schüler existiert offenbar wenig Interesse. Das bestätigt sich auch darin, dass die Schüler in den Aufgaben dazu aufgefordert werden, zwar die Nachteile der „Multis“ zu suchen, während nach Vorteilen nicht explizit gefragt wird.
Große Freunde der Globalisierung dürften die Autoren, von denen einer auch die Ausbildung der Lehrkräfte in Wien organisiert, ohnehin nicht sein. Reichtum der Eliten und Ausbeutung der Armen sind im strammen linksideologischen Kontext die unvermeidlichen Gegenpole internationaler Handelsströme. Auch assoziiert das Buch in seiner Definition von Globalisierung gleich einmal Negatives: „Die Kaufentscheidung und die Zerstörung des Regenwaldes sind also weltweit miteinander vernetzt. Die weltweite Vernetzung von Entscheidungen an verschiedenen Orten nennt man Globalisierung“ (siehe Abbildung 7).[5] Globale Arbeitsteilung wird als moderne Sklaverei, Freihandelsabkommen werden als Armutsfalle dargestellt. Globalisierung ist nach Auffassung der Autoren demnach schlicht die Optimierung der kapitalistischen Ausbeute von Mensch und Natur. Dass die Globalisierung Hunderte Millionen Menschen aus der Armut holte, sollten Schüler wohl besser nicht wissen.[6] Stattdessen wird ihnen – beispielsweise in der in Abbildung 5 abgebildeten Erläuterung zum NAFTA[7] – suggeriert, dass die Armen dadurch noch ärmer geworden sind. Den Beweis dieser steilen These bleibt man schuldig.
Ein Blick in die Fakten offenbart: Die Zahl der Personen in absoluter Armut hat sich in besagten Regionen und im untersuchten Zeitraum immerhin mehr als halbiert (siehe Abbildung 6).
Und dass es NAFTA mittlerweile gar nicht mehr gibt, ist nochmal ein anderes Problem, das zeigt, wie sehr die Aktualität den Inhalten der Lehrbücher enteilt.
Fußnoten
Warum Österreichs Schüler so wenig über Wirtschaft wissen. Und warum das nicht gut ist.
Was ist ein Markt? Wie bilden sich Preise? Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn? Viele Österreicher wissen das nicht; die Welt der Ökonomie ist ihnen ein Rätsel und deshalb oft auch unheimlich. Ein Schulfach Wirtschaft würde diese Defizite schon bei den Jüngsten beheben – und eine Menge Irrtümer aus der Welt schaffen.
Eine ökonomische Anleitung zum radikalen Förderstopp
Das Geld ist knapp. Das österreichische Doppelbudget 2025/26 pfeift aus dem letzten Loch. Streichen wir doch einfach ein paar Förderungen, meinen nun manche. Doch leichter gesagt als getan. Am Ende traut sich ja doch wieder keiner, den Rotstift anzusetzen. Die Agenda Austria schreitet mutig voran. Und streicht. Alles.
Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.
Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.
Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Die Budgetrede, die das Land braucht – die Finanzminister Markus Marterbauer aber so nie halten wird.
Jeder weiß: Auf einem Bein zu stehen, ist auf Dauer eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Doch dem österreichischen Pensionssystem muten wir genau das zu. Es steht fast ausschließlich auf einem Bein: dem staatlichen Umlageverfahren. Zwar setzen viele Länder in Europa auf solche Systeme, doch kaum eines verlässt sich derart blind darauf wie Ö
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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