Schöpferische Zerstörung. Mentalitätsproblem. Das ist alles reichlich abstrakt. Ein Plan muss her. Eine Strategie. Was macht eigentlich Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer?
Pssst, stören wir ihn lieber nicht. Er arbeitet schon seit Monaten an seiner Industriestrategie. Was dabei herauskommen wird, wissen wir nicht; sie soll erst 2026 präsentiert werden. Doch eines wissen wir: Was drinstehen sollte. Dabei ersetzen wir aber „Industrie“ durch „Standort“. Es darf nicht darum gehen, Branchen mit Förderungen und guten Wünschen zu übergießen. Der Wirtschaftsstandort insgesamt ist es, der eine neue Politik benötigt. Wir brauchen keine Industriestrategie, wir brauchen eine Standortstrategie.
Unsere Standortstrategie hat vier Handlungsfelder: Da der Fisch bekanntlich vom Kopf her zu stinken beginnt, fangen wir ganz oben an: beim Staat selbst. Er muss seine Finanzen und seine Verwaltung in den Griff bekommen; das sind unsere Handlungsfelder 1 und 2. Und dann muss er dringende Reformen bei den Produktionsfaktoren Arbeit und Energie umsetzen; das sind die Handlungsfelder 3 und 4.[1]
Auf den britischen Ökonomen David Ricardo geht die Erkenntnis zurück: Die Defizite von heute sind die Steuern von morgen. Wenn der Staat Schulden macht, dann werden wir es sein, die diese Schulden früher oder später zurückzahlen müssen. Wer sonst? Daher sind hohe Staatsschulden klar wachstumsschädlich.[2] Nur wenn der Staat signalisieren kann, dass er seine Finanzen im Griff hat, werden Investoren in einen Standort vertrauen.
Genau dieses Signal können wir aber gerade nicht senden. Die Ausgabenprognosen liegen meilenweit daneben. So sieht es aus, wenn ein Staat die Kontrolle über seine Finanzen verloren hat. Und daher brauchen wir trotz einer der höchsten Abgabenquoten Europas auch eine der höchsten Neuverschuldungen Europas, um alle Rechnungen zu bezahlen. Selbst wenn man übrigens annehmen würde, dass Investoren nicht rational denken und sich von der Schieflage des öffentlichen Haushalts nicht abschrecken lassen, so wären sie doch dem Crowding-out-Effekt unterworfen:[3] Ein Staat, der am Kapitalmarkt massiv Finanzmittel nachfragt, treibt die Zinsen auch für private Investoren in die Höhe. Je größer der Finanzierungsbedarf des Staates, desto mehr private Investitionstätigkeit wird verdrängt.
Der Staatshaushalt ist eine der größten Schwächen des österreichischen Standorts. Das IMD führt uns in der Subkategorie Tax Policy auf einem dramatischen 64. Platz (von 69). Autsch.
Nun spart der Staat ja angeblich schon. Und dennoch wird er sich 2025 wohl noch ärger verschulden als letztes Jahr. Solchen Eskapaden hätte der Stabilitätspakt eigentlich einen Riegel vorschieben sollen. Doch Regeln auf Papier helfen gar nichts, wenn sie nicht auf einer breiten gesellschaftlichen Überzeugung fußen. Und deshalb brauchen wir nicht nur sofort Einschnitte bei den Ausgaben; wir brauchen auch langfristig Budgetregeln, die der Politik die Hände binden. Zuerst müssen wir an die heißen Eisen heran: Solange das Pensionsloch gähnt, ist jedes Sparpaket Makulatur. Das Pensionsantrittsalter sollte ab sofort jedes Jahr um zwei Monate angehoben werden. Ein Jahr länger im Erwerbsleben entlastet das Pensionssystem jährlich um circa drei Milliarden Euro. Außerdem braucht es einen Kahlschlag beim Förderwesen. Wo man den Rotstift ansetzen könnte, haben wir von der Agenda Austria bereits gezeigt.[4] Wenn wir allein bei den direkten Förderungen gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreichen würden, hätten wir schon knapp fünf Milliarden Euro pro Jahr gespart und ganz nebenbei so manche strukturkonservierende Marktverzerrung aufgelöst. Wenn man die Streichung der indirekten Förderungen durch dauerhafte Steuersenkungen kompensiert, kann man die Förderquote weiter reduzieren. Und dann brauchen wir eine Ausgabenbremse nach schweizerischem oder schwedischem Vorbild (vgl. Abbildung 3). Nur so kann der österreichische Staat das Signal in die Welt senden, dass Steuersenkungen zumindest denkbar sind. Eine Flat Tax bei der Einkommensteuer von 16 Prozent ab dem Steuerfreibetrag bis zur Höchstbeitragsgrundlage würde die Bürger um jährlich 14 Milliarden Euro entlasten. Die Spielräume dafür kann der Fiskus leicht finden. Würde er es schaffen, die Staatsausgabenquote auf das Niveau von 2019 zu senken, könnte er heute immer noch über 30 Milliarden Euro mehr ausgeben als damals. Das muss reichen.
Ein gut sortiertes Staatswesen ist wichtig. Doch schon Paracelsus wusste, dass die Dosis das Gift macht. Österreich droht der Bürokratieinfarkt. Wer in Wien eine Lagerhalle errichten möchte, darf sich dafür 222 Tage lang mit Papierkram herumschlagen (vgl. Abbildung 4).[5] Da baut man die Halle doch lieber in Kopenhagen; dort dauert es nur 64 Tage. Weltmeister ist die südkoreanische Hauptstadt Seoul (27,5 Tage). Das ist nicht nur geografisch weit weg.
Wer nun die Kettensäge nach argentinischem oder DOGE nach US-amerikanischem Vorbild nicht will, muss sagen, wie es besser gehen soll. Bis jetzt hat nämlich nichts gefruchtet. Die üblichen Empfehlungen, wie Sunset Clauses oder One-in-one-out-Regeln waren überschaubar erfolgreich. Bleibt also nur die Kettensäge? In Argentinien sollen bis zum Ende der ersten Amtszeit Javier Mileis rund 70 Prozent aller Gesetze gestrichen werden.[6] Das würde schon eher einen Unterschied machen.
Bei uns geht es derweil etwas kleinteiliger zu. Das aktuelle Entbürokratisierungspaket der Bundesregierung enthält nur wenige konkrete Punkte. Immerhin kommt die Novelle des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, die Genehmigungsprozesse bei Großprojekten beschleunigen soll, schon im Jänner 2026. Doch die ersehnten One-Stop-Shops für Förderansuchen und Genehmigungsverfahren sind erst einmal nur Absichtserklärungen. Es gibt auch weiterhin neun Bauordnungen. Man ist schon stolz, dass Dokumentationen im Schifffahrtswesen künftig nicht mehr „mit Tinte oder Kugelschreiber“ anzufertigen sind.
Damit vor allem das Neue nicht gleich in Papier erstickt wird, brauchen wir umfassende Erleichterungen für Startups. Gründer gehen oft in Bürokratie unter und wundern sich, wie viele Gewerbescheine sie für eine einzige Geschäftsidee brauchen. Die Gewerbeordnung mit ihren starren Regeln aus dem vorletzten Jahrhundert gehört im Grunde eingestampft und neu geschrieben. Junge Unternehmen brauchen Sandbox Regulations: Bis zu einer bestimmten Umsatzgrenze müssen sie nur ein absolutes Minimum an Bestimmungen und Berichtspflichten erfüllen. Ein bisschen Wildwest im sonst so beschaulichen Österreich.
Und unsere Antwort auf noch mehr EU-Regulierung muss immer sein: Nein, danke. Österreich gibt sich in Brüssel ja gerne bockig. Und doch haben die österreichischen EU-Parlamentarier bei vielen Bürokratiemonstern der letzten Jahre die Hand gehoben. Zum Selbstschutz sollten wir uns das strengste Goldplating-Verbot Europas verordnen. Die EU schreibt zum Beispiel die Lohntransparenzrichtlinie für Unternehmen ab 100 Beschäftigten vor, erlaubt den Mitgliedstaaten aber, auf 50 herunterzugehen. Wir sollten das nicht tun, sondern nur das absolute Minimum umsetzen. Und nein, liebe Arbeiterkammer, wir fahren auch nicht nach Brüssel und fordern, dass die Grenze bei 25 Beschäftigten liegen sollte.[7]
Gleichzeitig – und spätestens an dieser Stelle stirbt jede Bemühung um Bürokratieabbau – müssen die personellen Kapazitäten in den Verwaltungen abgebaut werden. Der Personalzuwachs der öffentlichen Hand in den letzten Jahren spricht aber eine andere Sprache. Dass sich überdimensionierte Verwaltungsapparate immer selbst genug Arbeit schaffen, wurde populärwissenschaftlich als Parkinson’s Law bekannt. Hier hilft wieder der Blick nach Argentinien: Dort wurden Staatsbedienstete auf die Straße gesetzt. Solange sich diese Erkenntnis hierzulande nicht durchsetzt, wird es nichts mit dem Bürokratieabbau.
Fußnoten
Damit die österreichische Wirtschaft wieder wachsen kann, ist Veränderung nötig. Das Stichwort lautet: schöpferische Zerstörung.
(Über) 100 Jahre Interventionsspirale im österreichischen Wohnungsmarkt
Die Mietpreisbremse für den freien Markt wird kommen. Und mit ihr eine ganze Reihe an unbeabsichtigten Nebenwirkungen. In Österreich haben wir über 100 Jahre Erfahrung mit Mietpreiseingriffen. Nur gelernt haben wir nichts daraus.
Warum Österreichs Schüler so wenig über Wirtschaft wissen. Und warum das nicht gut ist.
Was ist ein Markt? Wie bilden sich Preise? Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn? Viele Österreicher wissen das nicht; die Welt der Ökonomie ist ihnen ein Rätsel und deshalb oft auch unheimlich. Ein Schulfach Wirtschaft würde diese Defizite schon bei den Jüngsten beheben – und eine Menge Irrtümer aus der Welt schaffen.
Eine ökonomische Anleitung zum radikalen Förderstopp
Das Geld ist knapp. Das österreichische Doppelbudget 2025/26 pfeift aus dem letzten Loch. Streichen wir doch einfach ein paar Förderungen, meinen nun manche. Doch leichter gesagt als getan. Am Ende traut sich ja doch wieder keiner, den Rotstift anzusetzen. Die Agenda Austria schreitet mutig voran. Und streicht. Alles.
Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.
Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.
Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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