Ein kaputtes Auto wird nicht dadurch wieder fahrtüchtig, dass man ein neues Duftbäumchen an den Rückspiegel hängt. Eine umfassende Reparatur tut not:
Nehmen wir zunächst die Gemeinden selbst in die Verantwortung: Es braucht eine klare Zuweisung von Budgetverantwortung, bei der klargestellt wird, dass Bund und Länder nicht für Gemeindeschulden haften. Sogar ein Insolvenzverfahren für Gemeinden könnte eine Möglichkeit sein. Gemeinden, die gegen Haushaltsvorgaben oder Stabilitätskriterien verstoßen, sollten frühzeitig Konsequenzen spüren – etwa den Ausschluss von Fördermitteln oder Kreditmöglichkeiten. Bislang sind hier nicht alle Bundesländer gleich streng. Umgekehrt könnten Anreize für solide Haushaltsführung positiv wirken.
Ein absolut faires System, in dem derjenige anschafft, der zahlt (und umgekehrt), ist im derzeitigen Finanzausgleich illusorisch. Wahrscheinlicher würde es, wenn die Gebietskörperschaften stärker ihres Glückes Schmied wären und eigene Einnahmen generieren könnten, statt von Transfers abhängig zu sein.
Zum Beispiel so: Der Bund legt für die Einkommensteuer eine bundesweite Flat Tax fest. Die Gemeinden haben dann die Möglichkeit, einen Zuschlag auf diesen Basissteuersatz zu erheben, der ihren spezifischen finanziellen Bedürfnissen entspricht. Sie werden bei der Höhe des Zuschlags vorsichtig sein, da sie ihn nun vor ihren Einwohnern selbst rechtfertigen müssen. Damit steigt auch die Effizienz – es ist ein in der empirischen Forschung bekanntes Phänomen, dass die Politik sparsamer mit dem Geld der lokalen Bevölkerung umgeht als mit Transfers.[1] Eine Form des horizontalen Finanzausgleichs bräuchte es aber natürlich weiterhin; auch in Ländern mit hoher Finanzautonomie (zum Beispiel in der Schweiz) geht es nicht ohne. Schließlich kann eine Gemeinde wenig machen, wenn das einzige Unternehmen im Ort pleite geht.
Die Bürgermeister sind also keinesfalls allein verantwortlich für die Probleme. Sie sind über weite Strecken Passagiere eines ungeeigneten Finanzausgleichssystems. Statt wie bisher vertikal über den Bund, sollte der Finanzausgleich zukünftig – wie in der Schweiz – vor allem horizontal, also zwischen den Gebietskörperschaften erfolgen. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel, der höhere Belastungen größerer Gemeinden durch ihre Nachbarn unterstellt, sollte in dieser Form abgeschafft werden, da er in seiner Pauschalität keine Gültigkeit hat. Der Ausgleich muss verstärkt auf den tatsächlichen Finanzbedarf und auf individuelle Herausforderungen der Gemeinden abstellen. Sie sollen dann mehr Geld bekommen als andere, wenn ihre Belastungen zum Beispiel aufgrund von Demografie (viele Kinder und/oder viele Ältere), Topografie (Gebirge oder weniger entwickelte Regionen) oder zentralörtlichen Funktionen für das Umland größer sind als jene anderer Gemeinden. Die Zahlungsströme müssen an die Aufgaben und an die individuellen Schwierigkeiten gekoppelt werden, die eine konkrete Gemeinde bei ihrer Erfüllung hat. Womit wir bei der nächsten wichtigen Stellschraube wären: bei den Aufgaben.
Viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Wo passt diese Metapher besser als beim österreichischen Föderalismus? Statt Kompetenzen klar auf einer Ebene zu bündeln, reden und/oder zahlen alle überall mit. Das macht das System kompliziert, reformresistent und teuer. Denn am Ende sind immer die anderen schuld, wenn etwas nicht funktioniert. Es sollte zum Beispiel klar definiert werden, ob Gesundheit und Pflege von Ländern oder Gemeinden (oder vom Bund) organisiert werden sollen. Das gilt auch im Bildungsbereich: Derzeit wählen die Länder die Lehrer aus, der Bund bezahlt sie und am Ende beschweren sich die Eltern über sie im Rathaus. Solche Dinge sollten in einer Hand liegen. Die Gemeinden würden dann auch nicht mehr passiv Dinge kofinanzieren müssen, die über ihre Köpfe hinweg entschieden werden.
Und wer soll nun welche Aufgabe übernehmen? Grundsätzlich soll so viel wie möglich so weit unten wie möglich erledigt werden. Es mag überraschen, aber Ökonomen sind in aller Regel für mehr statt weniger Föderalismus. Was für Juristen das Subsidiaritätsprinzip ist, ist für Ökonomen das Dezentralisierungstheorem.[2] Es besagt, dass eine Aufgabe immer von der kleinsten Verwaltungseinheit erledigt werden soll, die das ohne externe Effekte hinbekommt. Straßenbeleuchtung? Sache der Gemeinde. Krankenhäuser? Eher eine überregionale Aufgabe, daher Land. Verteidigung? Klar Bund.
Oft genug wurde die Diskussion über eine Föderalismusreform in Österreich ins Lächerliche gezogen. Man wolle ja wohl nicht ernsthaft vorschlagen, Bundesländer abzuschaffen! Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Vorarlberg-Tirol?
Das wäre aber auch nicht der Kern einer Föderalismusreform. Dass das politisch ohnehin kaum vermittelbar wäre, ist klar. Niemand will „Bindestrich-Bundesländer“, wie man sie aus Deutschland kennt. Aber man könnte schon darüber nachdenken, ob man über 2.000 Gemeinden für eine Bevölkerung von neun Millionen Menschen braucht. Es gibt zwar Kooperationen in Gemeindedienstleistungsverbänden, doch echte Gemeindefusionen gibt es – von der Steiermark abgesehen – kaum. Dabei liegen sie europaweit voll im Trend.[3] Fast überall wurden in den letzten Jahrzehnten Gemeinden fusioniert. Manche Länder haben die Zahl der Gemeinden – nicht immer ganz freiwillig – mehr als halbiert; zum Beispiel Dänemark, Estland oder Griechenland. Die österreichische Gemeindestruktur gehört dagegen weiterhin zu den kleinteiligsten in ganz Europa.
Der Einwand, dass die Schweiz sogar noch mehr Gemeinden hat wie wir, wäre übrigens zwar stichhaltig; dort ist die öffentliche Hand aber eben auch mit weniger als 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet, während wir schon die 80-Prozent-Marke hinter uns gelassen haben. Und mit Frankreich, wo die Gemeinden noch kleiner sind als bei uns, müssen wir uns ja nun wirklich nicht vergleichen, oder?
Fußnoten
Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.
Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.
Die österreichischen Löhne eilen davon. Aus der Rezession kommen wir aber nur heraus, wenn auch die Privathaushalte anfangen, sich an den Kosten der Misere zu beteiligen. Hoffentlich ist es dafür nicht schon zu spät.
Die Budgetrede, die das Land braucht – die Finanzminister Markus Marterbauer aber so nie halten wird.
Jeder weiß: Auf einem Bein zu stehen, ist auf Dauer eine ziemlich wackelige Angelegenheit. Doch dem österreichischen Pensionssystem muten wir genau das zu. Es steht fast ausschließlich auf einem Bein: dem staatlichen Umlageverfahren. Zwar setzen viele Länder in Europa auf solche Systeme, doch kaum eines verlässt sich derart blind darauf wie Ö
Im dritten Anlauf hat es nun also geklappt. Fünf Monate nach der 28. Nationalratswahl steht das erste Dreierbündnis im Bund. Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen – oder genauer gesagt in das Regierungsprogramm – werfen. Hat sich das geduldige Warten gelohnt? Was ist aus den Wahlversprechen der Parteien geworden? Ist die neue Koalition b
Die Staatsschulden sind rasant gestiegen, das Defizit wächst. Österreich muss rasch Maßnahmen setzen, um das Budget zu sanieren. Aber wie soll das gehen, ohne die Wirtschaftskrise zu verschärfen? Die Agenda Austria hat ein Konzept erarbeitet, mit dem der Staat schon im kommenden Jahr knapp 11 Milliarden Euro einsparen kann. Bis zum Ende des Jah
Gegründet um das Land in wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Belangen zu öffnen und neue Antworten auf die großen Herausforderungen zu liefern.
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