Föderalismus

Wenn der Föderalismus baden geht.

Über Gemeindefinanzen und Prioritäten.

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Österreichs Gemeinden kommen mit ihrem Geld nicht mehr aus. Mal wieder. Eine Überraschung ist das nicht. Denn der österreichische Föderalismus ist eine Fehlkonstruktion.

Erinnern Sie sich an die gute alte Zeit, als es den österreichischen Gemeinden noch gut ging? Den Bürgermeistern quollen die Banknoten nur so aus den Taschen. Die Kämmerer wurden per Dienstanweisung aufgefordert, das viele Geld säckeweise bei sich zu Hause unterzubringen, weil die Rathäuser schon aus allen Nähten platzten. In den städtischen Schwimmbädern blubberte Champagner.

Ach, Sie erinnern sich nicht? Das könnte daran liegen, dass diese Zeiten nie existiert haben.

Österreichische Gemeinden jammern über zu wenig Geld, seit es österreichische Gemeinden gibt. Und das hat drei Gründe: Erstens wird kommunal eben traditionell gern und viel gejammert. Das Klagelied gehört auf der Bürgermeisterschule zum Pflichtstoff. Zweitens wird in manchen Gemeinden in einer Art und Weise mit Geld umgegangen, die sprachlos macht. In Strobl am Wolfgangsee kostete jüngst der Bau einer öffentlichen WC-Anlage schlanke 700.000 Euro.[1] Und warum auch geizen? Bund und Land zahlen ja. Und was fehlt, wird geborgt. Traditionell natürlich zu variablen Zinssätzen, die den Gemeinden die Luft abschnüren, sobald die Zinsen steigen. Und drittens – und das ist natürlich der Hauptgrund – ist die Art, wie hierzulande Geld zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt wird, ganz grundsätzlich reformbedürftig. Derzeit nimmt vor allem der Bund das Geld ein und verteilt es gütig nach unten. Die Gemeinden bekommen von den höheren Verwaltungsebenen die Mittel zugesteckt, die sie ihrer Meinung nach brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Und wenn das Geld dann in goldene Toilettenanlagen, Schwimmbäder und halbleere Fußballstadien geflossen ist, heißt es wieder, die Gemeinden könnten die Daseinsvorsorge kaum noch aufrechterhalten. Einzelfälle, freilich. Doch im Allgemeinen werden Bürgermeister im österreichischen Föderalismus selten für irgendetwas verantwortlich gemacht. Sogar die sonst omnipotenten Landeshauptleute zeigen hilflos auf Wien, wenn sie die Wünsche ihrer Untertanen wieder einmal nicht erfüllen konnten. Österreich hat sich für die denkbar schlechteste Art und Weise entschieden, einen Staat zu machen. Am Ende ist das Tischtuch an allen vier Ecken zu kurz.

Der Stand der Dinge

Nun schlagen Gemeindevertreter seit Monaten wieder Alarm. Ist es diesmal mehr als nur gewohnheitsmäßiges Lamentieren und kollektives Missmanagement? In den Jahren 2023 und 2024 fuhren die Gemeinden (inklusive Wien) jedenfalls Defizite von jeweils weit mehr als zwei Milliarden Euro ein (vgl. Abbildung 1) – rund 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Es sei erwähnt, dass die Gemeinden ohne Wien (in der Abbildung hellrot dargestellt) ihr Defizit 2024 im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht senken konnten. Das ändert aber nichts daran, dass das strukturelle Defizit der Länder und Gemeinden zusammen (!) gemäß Stabilitätspakt nicht mehr als 0,1 Prozent des BIP betragen darf, damit die Schulden nicht außer Kontrolle geraten. Klar, der Bund wütet noch schlimmer mit dem Geld, das er nicht hat. Aber müssen die Gemeinden deshalb auch ihre Neuverschuldungsgrenze um ein Vielfaches überschreiten?

Öffentiche Defizite von 2012 bis 2024 in den Gemeinden

Abb. 1: Steigende Neuverschuldung

Allein von 2019 bis 2024 stiegen die Gemeindeschulden um fast die Hälfte. In ganz Österreich stecken die Gemeinden mehr oder weniger tief im Schuldensumpf (vgl. Abbildung 2).[2] Zwischen den Bundesländern gibt es erhebliche Diskrepanzen, weil sie es unterschiedlich gut oder schlecht mit ihren Gemeinden meinen. Pro Kopf sieht es im Land Salzburg und in Kärnten noch am besten aus. Dort standen die Gemeinden 2023 im Schnitt mit rund 600 Euro pro Kopf in der Kreide. Sehr viel düsterer ist die Situation dagegen in Vorarlberg und in der Steiermark, wo die Schuldenstände der Gemeinden bei durchschnittlich über 2.000 Euro pro Kopf lagen. Wien bringt es sogar auf über 5.000 Euro, hat aber freilich auch Landesaufgaben zu erfüllen, sodass der Vergleich leicht hinkt.

Abb. 2: Wo die Schulden pro Kopf besonders hoch sind


Fußnoten

  1. https://www.sn.at/salzburg/politik/wirbel-um-teure-toiletten-in-strobl-gemeinde-baut-oeffentliches-wc-um-700000-euro-138551782
  2. Individuelle Gemeindedaten sind derzeit nur bis 2023 verfügbar.
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