Was unsere Kinder über Wirtschaft lernen
- 02.08.2017
- Lesezeit ca. 4 min
Zwei deutsche Länder führen ein eigenes Unterrichtsfach namens Wirtschaft ein. Das kommt in Österreich so hoffentlich nicht. – Kommentar von Franz Schellhorn.
In den Schulen Nordrhein-Westfalens wird es künftig ein eigenes Fach namens Wirtschaft geben. Damit reagiert das knapp 18 Millionen Einwohner zählende Bundesland auf die höchst bescheidenen Wirtschaftskenntnisse junger Deutscher. Die Wissenslücken sind kein nordrheinwestfälisches Phänomen, auch in Baden-Württemberg hilft die rot-grüne Landesregierung den Schülern mit einem eigenen Unterrichtsfach Wirtschaft auf die Sprünge.
Ideologisch gefärbte Inhalte
Das ist sicher kein Schaden. In der wissensbasierten Leistungsgesellschaft von morgen sind umfassende Wirtschaftskenntnisse bestimmt sehr hilfreich. Wenn Kindern mehr Wirtschaft gelehrt wird, heißt das allerdings noch nicht, dass sie dann auch mehr von Wirtschaft verstehen. Österreich ist ein guter Zeuge für diese These. Abseits berufsbildender Schulen gibt es zwar kein eigenes Fach Wirtschaft, aber das Thema wird in mehreren Gegenständen behandelt.
Mit ziemlich ernüchternden Ergebnissen, wie eine brandaktuelle Studie von Bettina Fuhrmann (WU Wien) zeigt. 1200 Schüler (4. Klasse Gymnasium/NMS) wurden befragt, welche Aufgaben denn der Staat in unserer Wirtschaft erfülle. 64 Prozent meinen, dass er festlege, was importiert und was exportiert werde. 32 Prozent glauben, die öffentliche Hand bestimme die Höhe der Löhne in den Betrieben, und immerhin 28 Prozent sind davon überzeugt, dass der Staat die Preise in den heimischen Geschäften festlegt.
Warum 14-Jährige dem Staat eine derart tragende Rolle zuschreiben, hat Gründe. Nicht zuletzt jenen, dass den Kindern in Österreichs Klassenzimmern ideologisch gefärbte Inhalte serviert werden. Wer die Schule verlässt, weiß, dass Wirtschaft grundsätzlich nichts Gutes und die Globalisierung die neue Form der Ausbeutung ist. Dass Wachstum unseren Planeten zerstört, die Armen immer ärmer werden und nur der Staat dafür sorgt, dass es uns Menschen noch einigermaßen gut geht. Weil der Kapitalismus immer mehr Ungleichheit und Elend produziert.
„Aktien steigen, wenn Arbeitnehmer fallen“
Das glauben Sie nicht? Dann werfen Sie doch einmal einen Blick in die gängigsten österreichischen Schulbücher. Etwa in das besonders auflagenstarke Lehrbuch für Geschichte und Sozialkunde „Zeitbilder 8“ (ÖBV). Ein Besteller, der Schüler „sicher und kompetent zur Matura“ führt, wie der Umschlag verspricht. Im Kapitel „Neoliberal – total global“ wird die Jugend in die intimsten Geheimnisse der internationalen Finanzverschwörung eingeführt. Rolf Hochhuth erklärt, dass „Aktien steigen, wenn Arbeitnehmer“ fallen, dass also die Kurse von Aktien dann in die Höhe schießen, wenn gewissenlose Konzernbosse Tausende Arbeitnehmer auf die Straße setzen. Das fordere die „neoliberale Weltordnung“, in der es nur um die Maximierung von Gewinnen gehe.
Überhaupt ist der (nicht näher definierte) Neoliberalismus eine schlimme Sache: „Ob in den USA, in Indien, Japan oder Europa: Die Gesellschaften beginnen sich zunehmend in eine Minderheit von Gewinnern und in eine Mehrheit von Verlierern zu spalten.“ Ein Befund, den „Geospots“ (Veritas Verlag) bestätigt: „Neoliberale Vorgaben spalten die Gesellschaft in wenige Reiche, einen schwachen Mittelstand und eine Vielzahl von Armen.“ Nun mögen die Schulbuchautoren ja zu treuen Hörern des „Ö1-Radiokollegs“ zählen, was aber noch kein Beweis für die aufgestellten Behauptungen ist, die allen offiziellen Statistiken widersprechen. Dort ist nämlich zu sehen, dass die Armut in relativen und absoluten Zahlen weltweit zurückgeht.
Aber das erfahren Österreichs Schüler nicht. In „Zeitbilder 8“ werden aufrechte Linke wie Eric Hobsbawm und Jean Ziegler sowie die gewerkschaftsnahe Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Antiglobalisierungslobby ATTAC zitiert. Keiner der unzähligen Ökonomen, die eine abweichende Sicht der Dinge haben, kommt vor. Wie Nobelpreisträger Angus Deaton, der gegenüber der NZZ meinte: „Ich sage, dass die Zahl der von Armut betroffenen Menschen in nur drei Jahrzehnten von zwei Milliarden auf eine Milliarde gesunken ist. Das ist ein Resultat des Kapitalismus, der Globalisierung, der Ausbreitung von Märkten. Das ist kein Scheitern, sondern einer der größten Erfolge der Menschheitsgeschichte. Der Welt ist es insgesamt noch nie besser gegangen als heute, auch wenn sie sich derzeit in einer ziemlichen Unordnung präsentiert.“
Alle Argumente hören, statt einseitig indoktrinieren
Doch genau darum ginge es: Ökonomische Zusammenhänge umfassend zu beleuchten und verständlich zu erklären, alle Argumente zu hören, statt einseitig zu indoktrinieren. Junge Menschen sollten sich selbst ein Bild machen können. Und ja, sie können auch weiterhin mit Nike-Sneakern und dem iPhone in der Tasche zum McDonald’s spazieren, um sich dort ausgiebig für die Anti-Freihandelsdemo zu stärken. Aber sie sollten zumindest erkennen können, dass dieses Verhalten nicht ganz widerspruchsfrei ist.
Dafür braucht es kein eigenes Wirtschaftsfach, sondern ideologiefreie Lehrbücher. Das sollte eigentlich nicht zu viel verlangt sein. Falls doch, wäre die Forderung nach mehr Wirtschaft in der Schule eine, der besser nicht nachgekommen wird.
Kommentar von Franz Schellhorn im „profil“, 29. Juli 2017
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